New allies

   Talicia Kingswell   Jeremy Gilbert
am 08.10.2009



Es war sieben Uhr morgens, als der Wecker des 15-Jährigen schellte und er ihn mit einem genervten Ausdruck in den Augen ausstellte. Die Sonne schien zwar durch sein Fenster und die Vögel zwitscherten, aber das konnte seine Laune nicht heben. Die Schule war einfach nicht sein Ding. Er hatte keine Lust, sich den ganzen Tag in den Klassenräumen zu langweilen, während Lehrer über Dinge redeten, die ihm egal waren. Seitdem seine Eltern vor kurzem gestorben waren, schien ihm die Schule noch sinnloser. Jeremy fand keinen Trost in den Schulaufgaben oder den endlosen Vorträgen der Lehrer. Niemand konnte seine Eltern ersetzen, und ohne sie fehlte ihm der Antrieb, sich anzustrengen. Die Bedeutung von Matheformeln und historischen Daten verblasste im Vergleich zu dem Schmerz, den er jeden Tag fühlte. Der Verlust seiner Eltern hatte ihm jegliche Motivation genommen, und so schleppte er sich widerwillig und mit einem schweren Seufzer aus dem Bett. Er machte sich fertig und ging dann in die Küche, um zu Frühstücken. Seine Tante und auch seine ältere Schwester Elena saßen schon am Frühstückstisch. Während des Frühstücks hörte er seine Tante wieder mit ihrer altbekannten Leier: »Jeremy, du musst dich mehr anstrengen. Schule ist wichtig für deine Zukunft.« Sie war noch ziemlich jung, kaum älter Anfang zwanzig, und Jeremy bemerkte, dass sie sich schwer tat mit der Erziehung von ihm und seiner zwei Jahre älteren Schwester Elena. Er verdrehte nur die Augen und steckte sich einen Löffel Cornflakes in den Mund. Während Jeremy sich einen weiteren Löffel Cornflakes in den Mund schob, sah er aus dem Augenwinkel, wie Elena sich konzentriert in ihre Bücher vertiefte und sich scheinbar mühelos auf den bevorstehenden Schultag vorbereitete. Jeremy konnte es nicht nachvollziehen, wie sie sich jetzt noch auf die Schule konzentrieren konnte. Seine Tante sprach weiter über die Bedeutung der Schule und die Wichtigkeit, sich anzustrengen, doch für Jeremy klangen ihre Worte hohl und bedeutungslos. Er wusste, dass sie sich bemühte, eine gute Erziehungsberechtigte zu sein, doch in seinen Augen konnte niemand seine Eltern ersetzen. Der Alltag schien ihm oft wie ein trister Nebel, durch den er sich ohne Ziel bewegte, und die Schule war nur ein weiterer Teil dieses bedeutungslosen Alltags. Als er schließlich in der Schule ankam und durch die Gänge schlurfte, hörte er, wie einige seiner Mitschüler aufgeregt über etwas redeten. Anscheinend sollte heute jemand Externes kommen und einen Vortrag über die Medizin von früher und die Methoden von heute halten. Jeremy blieb kurz stehen. So ein Vortrag könnte durchaus interessant und eine Abwechslung vom öden Unterricht sein. Kurz nachdem er sich im Klassenraum auf seinen Platz gesetzt hatte, kam auch die Vortragende herein, die sich als Frau Kingswell vorstellte und dann mit ihrem Vortrag begann. Sie strahlte eine solche Energie und Begeisterung aus, dass er sofort aufmerksamer wurde. Sie sprach über mittelalterliche Heilmethoden, über Aderlass und Kräuterheilkunde und zog dann den Bogen zu modernen medizinischen Verfahren und Technologien. Jeremy war gefesselt. Für einen Moment vergaß er seine Abneigung gegen die Schule. Am Ende des Vortrags klatschte er sogar begeistert. Es war der erste Schultag seit langem, an dem er das Gefühl hatte, wirklich etwas gelernt zu haben. Er packte gerade seine Sachen zusammen und wollte zum nächsten Unterrichtsraum gehen, als Frau Kingswell ihn ansprach. Sie fragte ihn, ob er kurz warten könnte, was ihn überraschte. Warum wollte er warten? Hatte er irgendetwas falsch gemacht? Er konnte es sich nicht erklären, aber blieb dennoch stehen. »Was gibt es denn?«, fragte er deswegen direkt und hoffte nicht, dass er schon wieder zum Direktor musste, denn das kam in letzter Zeit ziemlich häufig vor.